News

EU-Initiative zur Bekämpfung des Zahlungsverzugs im Geschäftsverkehr

Im Rahmen eines Maßnahmenpakets zur Stärkung der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) hatte die EU-Kommission im Herbst vergangenen Jahres neben anderen geplanten Maßnahmen einen Vorschlag für eine Verordnung über Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr, kurz Zahlungsverzugsverordnung, vorgelegt. Die neue Vorschrift soll die Zahlungsverzugsrichtlinie 2011/7/EU aus dem Jahr 2011 ersetzen, die 2014 mit dem „Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr und zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes“ in deutsches Recht überführt worden war.

Die erklärte Zielrichtung der EU-Kommission ist eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen, da diese übermäßig durch die Folgen verspäteter Zahlungen belastet seien. Thierry Breton, Kommissar für den EU-Binnenmarkt, formulierte die Absicht hinter den Maßnahmen anlässlich der Vorstellung des Verordnungsentwurfs: „Unsere ehrgeizige Überarbeitung der Regeln für den Zahlungsverzug wird ein faireres Geschäftsumfeld für KMU im gesamten Binnenmarkt schaffen. Dies wird kleine Unternehmen widerstandsfähiger machen und ihnen helfen, schwierige Zeiten zu überstehen.“  Im Einführungstext begründet die EU-Kommission ihren Vorschlag entsprechend: „Die Hauptursache für Zahlungsverzug sind Asymmetrien in der Verhandlungsmacht zwischen einem großen Kunden (Schuldner) und einem kleineren Lieferanten (Gläubiger). Dies führt häufig dazu, dass der Lieferant unfaire Zahlungsbedingungen akzeptieren muss.“

Breite Kritik am ursprünglichen Entwurf

Grundsätzlich ist eine Überarbeitung der Zahlungsverzugsrichtlinie zu begrüßen. Tatsächlich stellen durch Zahlungsverzug verursachte Liquiditätsengpässe auch für ansonsten gesunde Unternehmen ein erhebliches Risiko bis zur Gefahr einer Insolvenz dar. Zudem profitiert der Schuldner einseitig von verspäteten Zahlungen, auf Seiten der Gläubiger sind sie mit Kosten und Aufwand verbunden.

Dennoch wurde der Entwurf in verschiedenen Stellungnahmen betroffener Interessenverbände deutlich kritisiert, insbesondere im Hinblick auf die vorgesehene starre 30-tägige Zahlungsfrist sowie die damit verbundene Einschränkung der Vertragsfreiheit. So kommentierte die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) die EU-Pläne zum Zahlungsverzug als „im Kern ungeeignet“ und führte mit Bezug auf die Arbeitsgemeinschaft Mittelstand weiter aus, die „geplante Verordnung gefährde die Existenz erfolgreich wirtschaftender Unternehmen“. Die Stellungnahme war mit der Forderung verbunden, den Entwurf zurückzuziehen oder zumindest unter Berücksichtigung der Kritikpunkte grundsätzlich zu überarbeiten.

Nach der Kritik aus den Mitgliedsstaaten hat sich der Binnenmarktausschuss des EU-Parlaments im März 2024 auf einen geänderten Vorschlag geeinigt, der insbesondere Ausnahmen zulässt von der 30-tägigen Zahlungsfrist - zulässig ist lt. dem neuen Vorschlag nun eine Zahlungsfrist von bis zu 60 Tagen bzw. nach Vereinbarung durch die Geschäftspartner auch eine Frist von bis zu 120 Tagen für noch näher zu definierende Warengruppen wie beispielsweise Saisonartikel.

Unternehmen sollten Zahlungsziele prüfen

Das weitere Gesetzgebungsverfahren sieht eine erste Lesung im April, also noch vor der Europawahl im Juni dieses Jahres vor. Endgültig verabschiedet werden soll die Richtlinie jedoch erst durch das nach der Wahl neu konstituierte Parlament. Weitere Änderungen am Entwurf sind deshalb zwar zu erwarten, grundsätzlich ist jedoch von einer Novellierung der Richtlinie in der nächsten Legislaturperiode des EU-Parlaments auszugehen. Die Verordnung wäre mit einer Verabschiedung auf EU-Ebene unmittelbar in allen EU-Ländern anwendbar ohne Umsetzungsverfahren in das nationale Recht der Mitgliedsstaaten.

Dr. Holger-René Bruckhoff, Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht, rät Unternehmen, vereinbarte Zahlungsziele frühzeitig zu überprüfen und sich mit den möglichen Konsequenzen einer neuen Richtlinie auseinanderzusetzen: „Die Absicht hinter der neuen Richtlinie ist zu begrüßen, jedoch wurden aus meiner Sicht mögliche negative Folgen für gerade die Unternehmen, die eigentlich profitieren sollen, übersehen. Die Vereinbarung längerer Zahlungsziele mit eigenen Lieferanten, also der gewöhnlich unverzinste „Lieferantenkredit“, verbessert die Situation kleinerer Unternehmen erheblich, da sie beispielsweise von besseren Einkaufsbedingungen bei Abnahme größerer Liefermengen profitieren können, ohne damit die eigene Liquidität kurzfristig übermäßig zu belasten.“

Quellenhinweise:
EU-Kommission, Pressemitteilung vom 12.9.2023, „EU-Kommission will Steuerregeln für KMU vereinfachen und Zahlungsverzögerungen bekämpfen“
DIHK, „EU-Pläne zum Zahlungsverzug "im Kern ungeeignet"

EU-Parlament, Press Release vom 20.3.2024, Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO), „MEPs approve measures to tackle late payments and support SMEs“